IRRene
Im Jahr 2015 hatte die Innovationsregion Rheinisches Revier GmbH (IRR GmbH) einen Projektaufruf gestartet. Unter dem Motto „Wandel heute sichtbar machen und für morgen vorausschauend gestalten“ wurden Bürger, Vereine, Hochschulen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen dazu aufgerufen, Projekte, Konzepte und Ideen, die auf innovative Weise zum nachhaltigen Ausbau der Energieversorgung im Rheinischen Revier beitragen, einzureichen. Zu den von einer Fachjury ausgezeichneten Beiträgen gehört ein Forschungsvorhaben, das unterschiedliche Fachbereiche der RWTH Aachen gemeinsam entwickelt und eingereicht hatten und das möglicherweise zur Entwicklung des Standortes „Industriegebiet Lindern“ beitragen kann. Inhalt des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung und der Aufbau eines innovativen, auf regenerativen Energietechnologien beruhenden kommunalen Energieversorgungs- und Verteilungssystems (IRRene).
Im Vergleich zu anderen Projekten zum Ausbau der Energiebereitstellung aus regenerativen Energieformen unterscheidet sich das Projekt vor allem durch die besondere Einbindung der Bevölkerung in den Planungsprozess und die Integration unterschiedlicher regenerativer Energietechnologien in die lokale Energieversorgung über ein Gleichspannungsnetz. Bei einer Umsetzung des IRRene-Projektes kann es auch dazu genutzt werden, die Stadt Geilenkirchen als Innovationsregion auszuzeichnen.
Netzintegration über ein Gleichspannungsnetz
Die Übertragung elektrischer Energie erfolgt in Deutschland (und fast überall auf der Welt) weitestgehend über Wechselstrom. Dies hängt unter anderem mit der guten Transformierbarkeit des Wechselstroms zusammen: Zur Verminderung von Übertragungsverlusten wird für den Transport von elektrischer Energie eine sehr hohe Spannung benötigt. Diese wäre aber beispielsweise für den häuslichen Gebrauch ungeeignet. Daher wird die elektrische Energie auf dem Weg vom Erzeuger zum Verbraucher mehrfach mittels Transformatoren auf eine andere Spannungsebene gebracht.
Die Gleichspannung hat gegenüber der Wechselspannung einige Vorteile:Elektrische Energie kann in Form von Gleichstrom heutzutage effizienter über große Distanzen transportiert werden als in Form von Wechselstrom, da der Blindleistungsbedarf wegfällt. Der Einsatz von Erdkabeln ist im Fall von Gleichspannungsnetzen technisch besser zu realisieren.
Eine Vielzahl von elektrischen Endgeräte wird heute bereits intern mit mit Gleichspannung betrieben. Daher müssen diese Geräte mit Komponenten ausgestattet sein, die die aus der Steckdose kommende Wechselspannung in Gleichspannung umwandelt. Das bedeutet nicht nur höhere Produktionskosten sondern auch Umwandlungsverluste.
Gerade für den Einsatz von regenerativen Energietechnologien ist die Verwendung von Gleichspannungsnetzen interessant: Solarzellen erzeugen beispielsweise systemimmanent Gleichstrom. Vor einer Netzeinspeisung muss dieser in Wechselstrom umgewandelt werden. Diese Umwandlung ist mit Verlusten verbunden und erfordert zusätzliche Hardwarekomponenten. Windenergieanlagen erzeugen zwar Wechselspannung, jedoch nicht mit der benötigten konstanten Netzfrequenz von 50 Hz. Daher muss die erzeugte „Roh-Wechselspannung“ erst in Gleichspannung umgewandelt werden um dann wiederum in Wechselspannung mit Netzfrequenz überführt werden zu können. Dadurch kommt es zu Umwandlungsverlusten.
Da mit zunehmendem Fortschritt bei der Entwicklung der Leistungselektronik die Bedeutung von herkömmlichen Transformatoren abnimmt, kann angenommen werden, dass auf sehr lange Sicht die Wechselstrom- von der Gleichstromtechnologie zumindest in Teilen verdrängt wird.
Bei einer Umsetzung des IRRene-Projektes muss aber kein Bewohner in Geilenkirchen befürchten, in Kürze sämtliche elektrischen Geräte im Haushalt zeitnah durch gleichspannungstaugliche Produkte zu ersetzen. Aus den häuslichen Steckdosen kommt nach wie vor Wechselspannung. Die Stadt Geilenkirchen könnte aber in diesem Zusammenhang als Modellregion fungieren. Die Ergebnisse des Projekts haben das Potenzial, zu einem späteren Zeitpunkt eine Umstellung auf Gleichspannung vorzunehmen.
Integration der Bevölkerung
Auch wenn die Energiewende von weiten Teilen der Bevölkerung in Deutschland gewünscht wird, stößt die konkrete Umsetzung immer wieder auf erhebliche Ablehnung. Dadurch wird die Umsetzung der Energiewende deutlich verlangsamt und die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Projekte verringert oder verdrängt. Ein solcher Widerstand kann verschiedene Ursachen haben. Beim Einsatz von neuartigen Technologien können Un- bzw. Halbwissen in der Bevölkerung sowie falsche Informationen zu einer skeptischen oder ablehnenden Haltung führen. Widerstände können aber beispielsweise auch auf eine mangelnde Berücksichtigung ortsspezifischer Anliegen seitens der Planung zurückzuführen sein. Fester Bestandteil des Forschungsvorhabens ist daher die Entwicklung eines kommunen-spezifischen Kommunikationskonzeptes, das einerseits zur Aufklärung der Bevölkerung beiträgt, gleichzeitig aber auch für die Planer ein wichtiges Instrument zur Erlangung und Berücksichtigung von Kenntnissen über die lokale Kultur und Identität darstellt. Es soll auch auf andere Kommunen angewendet werden können und durch Transparenz und Partizipationsmöglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung dienen.
Vorgehensweise/ Zeitplan
Nachdem im Rahmen des Wettbewerbes der IRR GmbH eine Projektskizze erstellt worden war, ist man aktuell auf der Suche nach Industriepartnern, die an einem Projekteinstieg interessiert sind. Potenziell geeignet hierfür sind beispielsweise Hersteller von technischen Komponenten für die Energieversorgung oder Energieversorgungsunternehmen.
Sobald entsprechende Projektpartner gefunden werden konnten, erfolgt die Erstellung einer Vorstudie. In dieser ca. 2 Jahre dauernden Phase werden Potenzialstudien vorgenommen und potenziell geeignete Technologien zur Stromerzeugung in Geilenkirchen-Lindern identifiziert. Dabei werden ökologische und wirtschaftliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Außerdem erfolgt die Entwicklung und die Anwendung des kommunen-spezifischen Kommunikationskonzeptes.
Die Ergebnisse der Vorstudie werden anschließend mit der Stadt Geilenkirchen besprochen und als nächster Schritt könnte die Identifikation von Teilprojekten, die zuerst durchgeführt werden sollen, sein. Nach einer Genehmigung und anschließender Umsetzung eines ersten oder mehrerer Teilprojekte könnte schließlich der Probebetrieb aufgenommen werden. Das Monitoren des Anlagenbetriebs mit dem Ziel, weitere Optimierungsmöglichkeiten zu identifizieren, ist ebenfalls Gegenstand des Forschungsvorhabens.
Als ein im Rahmen der IRR-Kampagne unterstütztes Projekt, wird die Weiterentwicklung des Forschungsvorhabens von der IRR GmbH begleitet und beraten.
Folgende Forschungsinstitute sind zurzeit an dem Forschungsprojekt IRRene beteiligt:
Forschungscampus Flexible Elektrische Netze (FEN)
BMBF-gefördertes Forschungsprojekt zur Untersuchung zukünftiger flexibler Netzstrukturen
(15 RWTH Institute, 23 Industriepartner)
www.forschungscampus-fen.net
E.ON Energy Research Center (E.ON ERC)
Schwerpunkt: Energieversorgung und Speichersystemtechnik für die urbane Umgebung
www.eonerc.rwth-aachen.de
Center for Wind Power Drives (CWD):
Schwerpunkt: Planung, Modellierung und Analyse von Windenergieanlagen
(7 RWTH Institute + Industriekonsortium)
www.cwd.rwth-aachen.de
Human-Computer Interaction Center (HCIC):
Schwerpunkt: Betrachtung der Schnittstellen zwischen Mensch und Technik (4 RWTH Institute)
www.hcic.rwth-aachen.de
Bei Fragen zum Projekt können Sie sich gerne per E-Mail an Herrn Dr. Christian Haag (info@fenaachen.net) wenden.