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Zu Gast in Geilenkirchen: Dr. Inna Goudz
Montag, 14. Oktober 2024
Auf Einladung von Bürgermeisterin Daniela Ritzerfeld besuchte Dr. Inna Goudz, Geschäftsführerin des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, die Stadt Geilenkirchen. Der Kontakt besteht schon seit längerer Zeit, auch weil der Landesverband Eigentümer des jüdischen Friedhofs in Geilenkirchen ist und diesen verwaltet. Als der Friedhof im Dezember 2019 geschändet wurde, war die Stadt Geilenkirchen die erste Stadt, die im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens ebenfalls Anklage gegen die mutmaßlichen Täter stellte. „Daraufhin hat uns die Stadt fortlaufend über den Gerichtsprozess informiert und uns auch bei der Instandsetzung des Friedhofs einbezogen.“, lobte Dr. Inna Goudz. Sie bedankte sich auch für das sichtbare Engagement der Stadtgesellschaft, z. B. bei der großen Demonstration auf dem Marktplatz im Januar 2020, kurz nach der Schändung.
Virtuelle Rekonstruktion der Geilenkirchener Synagoge am Bischöflichen Gymnasium St. Ursula
Im Rahmen des Besuchs hatte Dr. Goudz die Gelegenheit, Schülerinnen und Schüler des Bischöflichen Gymnasiums St. Ursula zu treffen, die ihr ein ganz besonderes Projekt vorstellten: Die virtuelle Rekonstruktion der Geilenkirchener Synagoge. Unter der Leitung von Frau Dr. Schloemer und Herrn Cremer sammelten die Schülerinnen und Schüler Informationen über das Gebäude, die anschließend dem Architekturbüro „Architectura Virtualis“ als Grundlage dienten. So konnte die Synagoge 85 Jahre nach ihrer Zerstörung in der Reichspogromnacht digital wiedererstehen.
Dr. Goudz zeigte sich beeindruckt von der Arbeit der Projektgruppe und lobte sowohl die Ergebnisse als auch das Engagement der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie online unter: https://st-ursula-gk.de/die-schule/konzepte/erinnern-und-gedenken/synagogenprojekt/
Besuch verschiedener Gedenkplätze
Nach dem Schulbesuch besichtigte Dr. Goudz mehrere Gedenkstätten in der Stadt: den Christel-und-Hermann-Wassen-Platz, den Synagogenplatz und den Anita-Lichtenstein-Platz, der an den jüdischen Friedhof grenzt.
Karl-Heinz Nieren, ein Experte für die Geschichte des jüdischen Lebens in Geilenkirchen, informierte über das Ehepaar Hermann und Christel Wassen, die sich intensiv für die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte in der Stadt einsetzten. Hermann Wassen, der selbst während der NS-Zeit Anfeindungen ausgesetzt war, engagierte sich nach dem Krieg in der Stadtpolitik und förderte mit seinen Erforschungen und Dokumentationen das Verständnis der lokalen jüdischen Geschichte, die geschichtliche Aufarbeitung sowie den Austausch mit Überlebenden und deren Familien.
Um dieses Wissen möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich zu machen, wurden die Informationstafeln mithilfe eines QR-Codes auch Menschen mit Sehbehinderungen zugänglich gemacht. Darauf ist besonders der städtische Behindertenbeauftragte Heinz Pütz stolz.
Durch die Bauarbeiten am Synagogenplatz ist der Gedenkstein, um an die damalige Synagoge zu erinnern, derzeit am Christel-und-Hermann-Wassen-Platz zu finden. Er wurde 1982 vom Ehepaar Wassen zur Erinnerung an das jüdische Gotteshaus gestiftet. Nach Fertigstellung der angrenzenden Bauarbeiten soll auch der Synagogenplatz neugestaltet werden und den Gedenkstein in den Fokus des Platzes stellen. Die beiden Plätze in der Stadt sind nicht nur Gedenkorte, sondern auch Symbole des interkulturellen Dialogs und der Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft.
Die Führung ging weiter zum Anita-Lichtenstein-Platz und dem jüdischen Friedhof. Der Friedhof befindet sich nachweislich seit ca. 1700 an der Heinsberger Straße. Auf dem Friedhof befindet sich auch die Grabstelle von Anita Lichtenstein, an der eine Schülerin bei einer Führung über den Friedhof ein kleines Plüschtier für Anita hinterließ. Anita Lichtenstein und ihre Familie waren 1942 im Vernichtungslager Majdanek ermordet worden. Dr. Goudz: „Eine wirklich tolle Geste und ein berührendes Zeichen des Respekts und der Erinnerung.“
Austausch mit Schülerinnen und Schülern der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule
Ein weiterer Höhepunkt des Besuchs war die Diskussion mit Schülerinnen und Schülern der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule. Die Jugendlichen stellten Dr. Goudz zahlreiche Fragen zur heutigen Lebensrealität von Jüdinnen und Juden in Deutschland und zum Thema Antisemitismus. Sie diskutierten auch, was junge Menschen heute tun können, um aktiv gegen Diskriminierung und Vorurteile vorzugehen. Ein Thema war zudem der andauernde Nahost-Konflikt, zu dem Dr. Goudz betonte: „Niemand kann ernsthaft Krieg wollen.“. Auch die Lehrkräfte und Bürgermeisterin Ritzerfeld beteiligten sich aktiv an dem regen Austausch.
Dialog zwischen Landesverband und Stadt wird fortgesetzt
„Geilenkirchen ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie die Erinnerung an die jüdische Geschichte und Kultur bewahrt wird“, sagte Dr. Goudz. Sie lobte die Stadt als Vorreiterin in der Aufarbeitung der Vergangenheit und für die Pflege einer lebendigen Erinnerungskultur, die auch durch die Initiative „Erinnern“ unterstützt wird. Diese Initiative, getragen von weiterführenden Schulen, Fraktionen und Kirchen, leistet wertvolle Beiträge zur Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus.
Dr. Goudz betonte, dass der Besuch in Geilenkirchen sicherlich nicht der letzte gewesen sei und sie den Dialog mit der Stadt auch in Zukunft fortsetzen wolle. „Der enge Austausch zwischen der jüdischen Gemeinschaft und der Stadtgesellschaft wird weiterhin gepflegt werden.“
An dem Besuch nahmen neben Dr. Inna Goudz und Bürgermeisterin Daniela Ritzerfeld auch der Erste Beigeordnete Herbert Brunen, die Schulleiter Hans Bruckschen und Jürgen Pallaske, sowie der Historiker Karl-Heinz Nieren und der städtische Behindertenbeauftragte Heinz Pütz teil. Auch die Fraktionsvorsitzenden Hans-Jürgen Benden (Bündnis 90/Die Grünen) und Manfred Schumacher (CDU) waren anwesend.
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